Geschlechtergerechtigkeit in der Friedens- und Sicherheitspolitik
Feministische Ansätze und Perspektiven im 21. Jahrhundert
Gitti Hentschel
- Einleitung
- Zur sicherheitspolitischen Ausgangslage
- Zur Partizipation von Frauen und Männern in bewaffneten Konflikten und in der Friedens- und Sicherheitspolitik
- Die europäische und bundesdeutsche Sicherheitsstrategie und die Geschlechterperspektive
- Zur besonderen Gefährdung der Sicherheit von Frauen und Mädchen in Krieg und Nachkriegszeiten
- Engagement von Frauen in der Friedenssicherung und Konfliktregulierung
- Internationale Dokumente zur Geschlechterrelevanz in friedens- und sicherheitsrelevanten Prozessen - Anspruch und Realität
- Frauenpolitische Ansätze der Friedenssicherung und Konfliktregulierung im 21. Jahrhundert
- Resümee
Die nationale wie internationale Friedens- und Sicherheitspolitik wird von Männern dominiert, Frauen sind von zentralen Entscheidungen über Krieg und Frieden, von Verhandlungen über Friedensabkommen und Nachkriegsordnungen weitgehend ausgeschlossen. Auch die vorherrschenden Sicherheitsstrategien blenden die Bedeutung von Geschlechterverhältnissen für Konfliktaustragungen und die unterschiedlichen Rollen und Funktionen von Männern und Frauen in Krisen, bewaffneten Konflikten und bei der Konfliktbearbeitung in der Regel aus.
Welche Strategien haben Frauen entwickelt, um diese "Genderblindheit" zu durchbrechen und zu erreichen, dass geschlechterpolitische Perspektiven sowie die Lebensbedingungen und Sichtweisen von Frauen in der nationalen und internationalen Außen- und Sicherheitspolitik angemessen Geltung erhalten? Wo liegen die Möglichkeiten, wo die Hindernisse, welche Strategien erscheinen zukunftsweisend? Mit diesen Fragen wird sich der folgende Beitrag ausgehend von aktuellen internationalen Entwicklungen und der bundesdeutschen resp. europäischen Sicherheitsstrategie auseinandersetzen.
Vor dem Hintergrund der spezifischen Betroffenheit von Frauen durch Kriege und Nachkriegsverhältnissen wird zunächst anhand beispielhafter Fraueninitiativen und -aktivitäten in verschiedenen Weltregionen aufgezeigt, welche Rolle Frauen und Frauenorganisationen sowie die generelle Berücksichtigung der Geschlechterperspektive für die Deeskalation und nachhaltige Friedenssicherung haben.
Dann wird der Stand der Umsetzung grundlegender internationaler Dokumente anhand einzelner Beispiele skizziert, die die Partizipation von Frauen auf allen Entscheidungsebenen der Konfliktbearbeitung und die Berücksichtigung der Geschlechterfrage in der (inter)nationalen Friedens- und Sicherheitspolitik vorschreibeni ,und Gründen für die systematische Mißachtung dieser internationalen Vorgaben nachgegangen.
Am Ende steht die Auseinandersetzung mit einzelnen neuen frauenpolitischen Initiativen zur Implementierung der frauen- und geschlechterpolitischen Perspektiven in der Friedens- und Sicherheitspolitik. Im Mittelpunkt stehen dabei zwar Initiativen zur bundesdeutschen Politik, die jedoch im Kontext internationaler Politik analysiert werden.
Zur sicherheitspolitischen Ausgangslage
Im Jahr 2002 wurden weltweit 47 bewaffnete Konflikte und (Bürger)Kriege ausgetragen, in denen nach vorsichtigen Schätzungen seit Beginn der Kämpfe mehr als 7 Millionen Menschen umgekommen sind. In erster Linie sind dies nicht mehr die herkömmlichen Kriege und Konflikte des 19. und 20. Jahrhunderts, also Gewalthandlungen zwischen verschiedenen souveränen Staaten, sondern regionale Gewaltkonflikte zwischen unterschiedlichen Interessen- und Machtgruppen, die zum Teil über Staatsgrenzen hinweg ausgetragen werden.
Auch die Austragungsorte der Kampfhandlungen haben sich verschoben. Die Kämpfe finden sehr viel stärker als zu früheren Zeiten "vor Ort", d.h. in den Lebensräumen der Menschen, in Städten und Dörfern statt, die zu direkten Zielen geworden sind. Daher sind die Hauptleidtragenden nicht mehr kämpfende Soldaten, sondern zu 80-90 % ZivilistInnen.ii
Eine spezifische Form sind terroristische Anschläge, bei denen bewußt zivile Ziele und unbeteiligte Menschen attackiert werden. Mit der Zerstörung des World Trade Centers und dem Angriff auf das Pentagon in den USA im September 2001 wurde diese Form militanter Bedrohung auch für die westliche Welt gegenwärtig. Sie schuf zugleich die Legitimationsbasis für eine neue, militarisierte Form der internationalen Außen- und Sicherheitspolitik, die in der Proklamation des Anti-Terror-Kampfes durch die USA und Europa sowie in der US-Militärdoktrin der Präemptioniii ebenso wie in der neuen europäischen Sicherheitsstrategieiv ihren Niederschlag findet. Entwickelt wurden diese Konzepte jedoch bereits in den Jahren zuvor.
Wesentlich hierfür war, dass mit dem Ende der Ost-West-Konfrontation einerseits die Bedeutung von Militär und Militärbündnissen fragwürdig wurden und sich andererseits das internationale Koordinatensystem grundlegend verschoben hat. Die USA wurden zur einzig verbleibenden Supermacht und die Bundesrepublik Deutschland neuer Machtfaktor innerhalb Europas.
Im Interesse der Sicherung von Ressourcen und der Legitimierung der eigenen Funktionen und Positionen wurde vor dem Hintergrund der Globalisierung, der „neuen“ Kriege und des Staatenzerfalls in einzelnen Regionen der Erde das traditionelle Sicherheitsverständnis insbesondere von Militärs und Sicherheitsstrategen in Frage gestellt. Es führte mit dem Begriff der „erweiterten Sicherheit“ zu einer Neufassung des traditionellen Sicherheitsbegriffs in der bundesdeutschen und europäischen Außen- und Sicherheitspolitik.v
Zur Partizipation von Frauen und Männern in bewaffneten Konflikten und in der Friedens- und Sicherheitspolitik
Kriege, militaristische Aktionen und Gewalthandlungen wurden und werden in der Regel von Männern beherrscht, d.h. die Institutionen der Konfliktaustragung - Streitkräfte, (para)militärische Verbände oder Milizen – waren und sind eine weitgehende Männerdomänen. In einzelnen Ländern, wie den USA, Israel und Deutschland dringen Frauen in diese Männerbastionen allmählich vor, auch als Parlamentarierinnen und Kabinettsmitglieder sind sie z.B. in der BRD und den USA an friedens- und sicherheitsrelevanten Entscheidungen beteiligt. Doch in den zentralen Entscheidungs- und Führungspositionen für diesen Bereich sitzen weiterhin Männervi.
Zum Beispiel wurde an den Friedensgesprächen in Dayton 1995 zur Beendigung des Bosnienkonflikts keine einzige Frau beteiligt, obwohl die massive Gewalt und Marginalisierung der Frauen und Mädchen innerhalb dieses Konflikts international bekannt war. Bei den Verhandlungen von Rambouillet, die der Bombardierung des Kosovo vorausgingen, war lediglich eine Frau auf Seite der Kosovaren beteiligt.
Frauenorganisationen in Serbien, die sich für gewaltfreie Lösungen eingesetzt hatten, wurden nicht einbezogen.vii Im UN-Sicherheitsrat, dem höchsten internationalen Organ, das über Maßnahmen der Konfliktbearbeitung, wie über den Einsatz von UN-Truppen oder die Billigung von Militäreinsätzen, im Namen der internationalen Staatengemeinschaft entscheidet, saß 2002 unter den fünf ständigen und den zehn nichtständigen Vertretern der Mitgliedstaaten keine einzige Frau. Auch Deutschland, das seit 2003 für zwei Jahre dort Sitz und Stimme hat, wird durch einen Mann - UN-Botschafter Günter Pleuger - vertreten. Internationale Studien zeigen , dass der „ systematische Ausschluss von Frauen aus offiziellen Friedensprozessen ... schädliche Effekte auf die Nachhaltigkeit von Friedensabkommen“ hat, weil „entscheidende Stimmen und Interessen nicht berücksichtigt werden“.viii
Wenn Frauen hingegen anwesend sind, verändert sich die Qualität des Dialogs.ix Als Grund hierfür wird angeführt, dass es deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern in der Vermittlung und der Leistungsfähigkeit beim Konfliktmanagement gibt, d.h., in der Art zu verhandeln und mit Konflikten umzugehen. Frauen insistieren in diesen Prozessen zum Beispiel mehr auf zivilen Konflikt- und Friedenslösungen. Aufgrund ihres anderen Erfahrungshintergrunds definieren sie andere und neue Themen als relevant, etwa Gesundheits-, Bildungsfragen oder Besitzverhältnisse.x
In der Folge waren Verhandlungsergebnisse, die von Frauen erzielt oder stark beeinflusst wurden, dauerhafter und die Verhandlungsparteien waren zufriedenerwie z.B. Südafrika und Nordirland zeigen, .( über diese Länder weiß ich nichts) !?xi Dass es auf der politischen Macht- und Entscheidungsebene durchaus ein Bewusstsein darüber gibt, dass die Beteiligung verschiedener gesellschaftlicher Interessen- und Bevölkerungsgruppen an politischen Entscheidungen zentral für zivile, gewaltvermeidende Konfliktlösungen und für nachhaltigen Frieden ist, wurde z.B. im Irak deutlich.
2003 wurde von der US-amerikanischen Besatzungsmacht auf die Repräsentation der unterschiedlichen ethnischen und religiösen Gruppierungen im neu zu konstituierenden irakischen Regierenden Rat großer Wert gelegt - die Frauen wurden davon jedoch ausgenommen. Von den 25 Mitgliedern des Regierenden Rats sind nur drei Frauen. Um Gremienentscheidungen jedoch nachhaltig frauenpolitisch zu beeinflussen und zu verändern, ist in der Regel eine „kritische Masse“ von Frauen notwendig, die bei 30-35 % liegt.xii Zwar ist auch dann nicht automatisch gewährleistet, dass die Rechte und Perspektiven der Frauen angemessen berücksichtigt werden, doch die Chancen dafür steigen erheblich.
Die europäische und bundesdeutsche Sicherheitsstrategie und die Geschlechterperspektive
Beispielhaft für die „Geschlechterblindheit“ nationaler wie internationaler Friedens- und Sicherheitspolitik ist die europäische Sicherheitsstrategie „Ein sicheres Europa in einer sicheren Welt“ der EU vom Dezember 2003 und die damit verbundene neue Sicherheits- und Verteidigungspolitik Deutschlands. Sie zeigte sich u.a. im Nato-Einsatz in Jugoslawien 1999 und bedeutet einen Paradigmenwechsel in der bundesdeutschen Außen- und Verteidigungspolitik. Mit seiner viel kritisierten Äußerung, „die Sicherheit der Bundesrepublik wird auch am Hindukusch verteidigt,“ brachte Bundesverteidigungsminister Peter Struck im Dezember 2002 diesen Politikwechsel etwas salopp auf den Punkt. Anders als in der traditionellen militärisch-politischen Sicherheitspolitik geht
es nicht mehr um die Verteidigung des eigenen Staatsgebiets bei Angriffen durch einen externen Feind. Die neue Sicherheits- und Verteidigungspolitik ist vielmehr global ausgerichtet. Sie zielt auf Probleme, die die Stabilität der europäischen wie der gesamten westlichen Staatenwelt bedrohen könnten. Als „Hauptbedrohungen“ gelten der internationale Terrorismus, die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, regionale Konflikte, der Zerfall von Staaten und die sich dort entwickelnde organisierte Kriminalität.xiii Zwar wird konstatiert, dass „keine der neuen Bedrohungen mit rein militärischen Mitteln angegangen werden“xiv14 könne, und „vorbeugende Sicherheitspolitik“ eine wichtige Rolle spielen sollte, doch im Vordergrund der Politik stehen „mehr Mittel für die Verteidigung“.xv
Damit ist ein sehr viel weiter als bisher gefasstes Sicherheitsverständnis Leitlinie bundesdeutscher und europäischer Außen- und Sicherheitspolitik. Zugleich wird eine neue Legitimationsgrundlage für die NATO und für militärische Interventionen geschaffen. Dem entspricht die Umstrukturierung der Bundeswehr zur schnell einsatz- und reaktionsfähigen Interventionsarmee und eine Neudefinition ihrer Aufgaben, bei der die „internationale Konfliktverhütung und Krisenbewältigung – einschließlich des Kampfes gegen den internationalen Terrorismus“ – im Vordergrund stehen.xvi16
Unhinterfragt werden die Aufgaben des Militärs in den Zivilbereich und in das Aufgabengebiet von Entwicklungs- und Außenpolitik hinein erheblich erweitert. Die Grenzen zwischen zivilen und militärischen Aktivitäten und Einsätzen verwischen in der Folge, ohne dass das Qualifikationsprofil für die Streitkräfte dem nur annähernd gerecht würde.xvii Dieses Sicherheitskonzept ist eurozentristisch und androzentristisch, wobei ihm ein diffuses Verständnis von Sicherheit zugrunde liegt. Es fehlt eine genaue Definition von Sicherheit, die Fragen implizieren würde wie: Sicherheit für wen, zu welchen Bedingungen, auf wessen Kosten und in wessen Interesse? Es fehlt eine Analyse der globalen Ursachen und Zusammenhänge der Konflikte, die als besonders sicherheitsrelevant bzw. -gefährdend genannt werden.
Die potentielle Gefährdung von Menschen in den zentralen, von Konflikten und möglichen Interventionen betroffenen Regionen und Ländern wird nicht adäquat berücksichtigt. Es fehlen jegliche Kriterien für die Abwägung von Entscheidungen, und es fehlt die angemessene Einbindung der Perspektiven von AkteurInnen jenseits staatlicher Handlungsträger insbesondere aus den betroffenen Regionen selbst.xviii Entsprechend bleibt auch die Sicherheitsrelevanz der Geschlechterverhältnisse und Geschlechterbilder und die unterschiedliche Gefährdung von Frauen und Männern in Krisen und (bewaffneten) Konflikten unberücksichtigt. Mit der Ausblendung der Geschlechterdimension werden so von Männern gesetzte Maßstäbe und Perspektiven als allgemeingültig gesetzt.
Zur besonderen Gefährdung der Sicherheit von Frauen und Mädchen in Krieg und Nachkriegszeiten
Die Ausgrenzung der Geschlechterrelevanz aus der Friedens- und Sicherheitspolitik hat für Frauen und Mädchen dramatische Auswirkungen. Von allen ZivilistInnen sind sie sowohl während als auch nach kriegerischen Konflikten den größten Gefahren ausgesetzt.xix Zusätzlich zu den Risiken anderer Zivilisten sind sie durch sexuelle Gewalt wie Massenvergewaltigungen als systematisches Mittel der Kriegsführung sowie durch gewaltsame Verschleppungen und sexuelle Versklavung als „Kriegsbeute“ besonders bedroht.xx
Für die Frauen bedeutet dies einen Angriff auf ihre Würde, ihre körperliche Integrität und Identität, der oft dieselben traumatischen Folgen für sie hat wie Folter.xxi In Kriegen wird damit versucht, den Feind auf besonders perfide, sexuelle Weise zu demütigen und zu demoralisieren. Indem die Sieger die Frauen der Besiegten „in Besitz nehmen“, wird die Besitzergreifung eines Landes und die Niederlage der Gegner bis ins Innere symbolisiert.
Zum Beispiel wurden in Ex-Jugoslawien in den neunziger Jahren im Bürgerkrieg nach Schätzungen 20-50 000 Frauen vergewaltigt.xxii Diese Vergewaltigungen waren zugleich ein bewusster Angriff auf die Kultur der Gegner, der darauf abzielte, ihren inneren Zusammenhalt zu zerstören. Denn die vergewaltigte Frau gilt in traditionellen islamischen Familien „als schmutzig und als Symbol der Schande“xxiii, die sie auch über die ganze Familie gebracht hat.
Nicht selten verübten Frauen deshalb Selbstmord oder ergriffen aus Angst vor der Rache männlicher Familienmitglieder die Flucht. Als Auswirkungen des Krieges, infolge der Brutalisierung der Kombattanten, erleben Frauen außerdem in potenziertem Maße häusliche Gewalt und Vergewaltigung durch die eigenen Ehemänner, die ohnehin in vielen Ländern noch gesellschaftlich geduldet oder sogar legitimiert wird.xxiv Männer, die als Verlierer aus dem Krieg zurückkehren, versuchen darüber, den gefühlten Verlust ihrer Männlichkeit zu kompensieren bzw. zurückzugewinnen.
Und siegreiche Exkombattanten, die im Krieg Gräueltaten erlebt oder sogar begangen und jede innere Orientierung verloren haben, benutzen ihre Frauen als Katalysator für ihre angestauten, unverarbeiteten Erlebnisse. Dies macht den von der feministischen Wissenschaft seit langem thematisierten Zusammenhang von häuslicher und militärischer Gewalt offensichtlich. Entsprechend ist aus feministischer Perspektive die Unterscheidung zwischen erklärtem Krieg und Frieden vielfach obsolet.
In der Konsequenz solcher Analysen müssen Frieden und Sicherheit sowohl soziale Gerechtigkeit als auch Geschlechtergerechtigkeit implizieren. Irak und Afghanistan sind hierfür aktuelle Beispiele. Nach den Berichten von amnesty international zur Situation der Frauen in Afghanistanxxv werden in weiten Teilen des Landes die Grundrechte der Frauen – ähnlich wie zu Zeiten der Taliban- Herrschaft – massiv verletzt, ihre persönliche Sicherheit ist bedroht, sie sind Opfer von sexueller Gewalt, von Zwangsheiraten und Entführungen.
Durch die weiterhin von Männern praktizierte Strafgerichtsbarkeit haben sie weder Unterstützung noch Schutz zu erwarten, im Gegenteil werden sie auch dadurch weiter diskriminiert. Die Generalsekretärin von amnesty international, Barbara Lochbihler, sieht darin ein Versäumnis der internationalen Gemeinschaft und der ausländischen Institutionen und Organisationen, die Afghanistan beim Aufbau unterstützen und begleiten, aber gegenüber der Situation der Frauen „eine alarmierende Achtlosigkeit“ gezeigt hätten.xxvi
Ein ähnlich dramatisches Bild zeichnet Human Rights Watchxxvii von den Lebensbedingungen irakischer Frauen, die zur Zeit des Baath-Regimes – im Rahmen der repressiven Bedingungen der Diktatur – relative Gleichberechtigung erfuhren und Partizipationsmöglichkeiten in Politik, Wirtschaft und anderen gesellschaftlichen Bereichen hatten. Danach hat sich unter der US-Besatzung und dem erstarkenden Einfluß fundamental-islamistischer Gruppierungen ihre Lebenssituation zum Teil drastisch verschlechtert.
Die Fälle sexualisierter Gewalt sind rapide angestiegen, Mädchen werden entführt, junge Frauen als Sexsklavinnen verkauft. Auch dort müssen vergewaltigte Frauen aufgrund des fundamentalistischen Einflusses wieder die Rache männlicher Familienangehöriger fürchten, weil sie die „Ehre“ der Familie beschmutzt hätten. Aus Sorge um die Töchter untersagen Eltern ihnen den Schulbesuch. Erwachsene Frauen trauen sich zum Teil nicht mehr auf die Straße, erst recht nicht zu politischen Versammlungen. Und weder bei irakischen Behörden noch den USamerikanischen Besatzern finden die Frauen Hilfe und Unterstützung.
Diese Berichte verdeutlichen, dass das traditionelle Verständnis von Frieden und Sicherheit ebenso wie Sicherheitsstrategien und -konzepte unter der Geschlechterperspektive einer Neuformulierung bedürfen, und Frauen auf allen Ebenen gesellschaftlicher Konsolidierung angemessen beteiligt werden müssen. Auch die Entsendung internationaler Peacekeeping-Missionen in die Konfliktregionen bedeuten für Frauen oftmals weder Schutz noch Sicherheit. Die fast ausschließlich mit Männern besetzten Schutztruppen fördern (Zwangs)Prostitution und Frauenhandel und können damit Teil des Problems anstatt ein Teil der Lösung werden.xxviii
Demgegenüber weisen internationale Missionen mit einem hohen Anteil weiblichen Personals und einem starken Mandat für zivile und friedenskonsolidierende Aufgaben die höchsten Erfolge auf: Die Präsens der Frauen half insgesamt eine gute Zusammenarbeit mit der lokalen Bevölkerung aufzubauen, kooperative Lösungen zu finden und das Risiko von sexuellen Übergriffen seitens des Friedenspersonals zu verringern.xxix
Engagement von Frauen in der Friedenssicherung und Konfliktregulierung
Der Ausschluss von Frauen von formalen Ebenen der Konfliktregulierung steht in krassem Widerspruch zu ihrer aktiven Rolle, die sie weltweit im zivilgesellschaftlichen Bereich einnehmen. Auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene sind Frauen seit Jahrzehnten Hauptakteurinnen des Widerstands gegen Krieg und bewaffnete Konfliktaustragungen.xxx
Zudem spielen sie bei der Konsolidierung der zerstörten Gesellschaften eine wesentliche Rolle sowohl im humanitären Bereich als auch beim Wiederaufbau der Gesellschaften.xxxi Viele Frauen entwickeln bei ihrem Engagement auf nationaler Ebene in der Abwesenheit der Männer neue, wirtschaftliche und politische Fähigkeiten. Gerade Frauen, die vor dem Krieg sozial und kulturell benachteiligt waren und familiäre Gewalt erfahren haben, erleben so eine Form der „Befreiung“. Sie brechen zum Teil mit den stereotypen gesellschaftlichen Geschlechterrollen und übernehmen in der Post-Konflikt- Gesellschaft neue, nicht-traditionelle Aufgaben.
Eine wesentliche Rolle spielen hierbei im Bereich humanitärer Hilfe engagierte NGOs, in denen Frauen in besonderem Maße aktiv sind. In Bosnien-Herzegowina konzentrieren sich viele Frauenorganisationen zum Beispiel auf die Vermittlung von Qualifikationen, Einkommensförderung und rechtliche Unterstützung von Frauen, insbesondere im Kontext von sexueller Gewalterfahrung.xxxii
Wenn die Männer aus Krieg und Gefangenschaft zurückkehren, werden viele Frauen allerdings wieder aus ihren Positionen gedrängt und kehren in traditionelle Frauenrollen zurück. Diese Gefahr besteht besonders dann, wenn die Staatsinstitutionen und politischen Entscheidungsgremien männlich dominiert bleiben. Infolge der Kriegs- und Gewalterfahrungen, auch aufgrund der Sorge um die beteiligten Männer - Söhne, Ehemänner, Väter - durch die Erfahrung von Not, Bedrohung und Demütigungen, schließen sich viele Frauen Friedensorganisationen und Anti-Kriegsgruppen an oder gründen eigene Initiativen.xxxiii
Die meisten von ihnen agieren regional und national und versuchen insbesondere, durch öffentlichen Protest Wirkung zu erzielen. Zum Teil arbeiten die Frauenfriedensorganisationen dabei gezielt mit traditionellen Geschlechtsrollenstereotypen, etwa die in den siebziger Jahren weltweit bekannt gewordenen „Mütter von der Plaza de Mayo“ in Argentinien. Dabei kann ihr Anknüpfen an traditionelle Geschlechterrollen im Protest gegen Krieg insbesondere unter repressiven Regimen als subversiv angesehen werden.
Da die Rolle der Mutter und sorgenden Ehefrau gesellschaftlich besondere Autorität hat, wird Frauen, die sich aus persönlichen Motiven engagieren, wie dem Verschwinden ihrer Männer oder der Zwangsrekrutierung ihrer Söhne, Protest zugestanden, der gerade in Kriegszeiten und in repressiven Gesellschaften sonst massiven staatlichen Druck, aber auch gesellschaftliche Ablehnung hervorrufen könnte. Andere Initiativen wie die „Women in Black“, die erstmals in Israel agierten, wurden Vorbild für weltweite Frauenproteste, z. B. auch gegen den Krieg in Ex-Jugoslawien und Afghanistan. Ihr Konzept ist, Frauen der Konfliktparteien zu gemeinsamen Mahnwachen zusammenzubringen.xxxiv
Andere, insbesondere jüngere Frauenfriedensaktivitäten sind auch auf direkte politische Einflußnahme und Partizipation ausgerichtet. Sie beziehen sich hierbei auf das in den neunziger Jahren entwickelte Konzept der Frauen- und Menschenrechte. Beispielhaft ist hierfür der sogenannte „Sechste Clan“ in Somalia: Als ab Mai 2000 die Männer fünf somalischer Clans Friedensverhandlungen führten, schlossen sich die nicht einbezogenen Frauen der verschiedenen Ethnien zu einem eigenen Clan zusammen. Sie forderten Frauenquoten in einem Übergangsparlament und erreichten durch massiven Druck, dass sie wenigstens 25 von 245 Sitzen – knapp 10 % - mit Frauen ihrer Wahl besetzen konnten.
Zusätzlich wurden durch die anderen Clans weitere Frauen ins Parlament gewählt. Die im Parlament in der Folge verabschiedete Charta für die Rechte von Frauen, Kindern und Minderheiten gilt – dank der beharrlichen Überzeugungsarbeit der Frauen und ihrem Zusammenschluss – als eine der fortschrittlichsten in der islamischen Welt.xxxv Auch auf internationaler Ebene haben Frauenbewegungen und Frauenorganisationen sich in den neunziger Jahren unter Berufung auf das Frauenrechtskonzept für die Partizipation von Frauen in Konfliktsituationen, in Friedensverhandlungen und Nachkriegsordnungen engagiert.
Von besonderer Bedeutung ist die frühere „Coalition on Women and International Peace and Security“, die nach der Pekinger Frauenkonferenz 1995 von zahlreichen namhaften Friedens- und Frauenrechtsorganisationen gebildet wurde und inzwischen als von der UN anerkannte "NGO Working Group on Women and International Peace and Security“ arbeitet. Sie verfasst u.a. Berichte und Studien, etwa über den Stand der Umsetzung der frauenfriedenspolitisch bedeutsamsten UN-Resolution 1325.xxxvi Darin werden sehr viel weitergehende Partizipationsmöglichkeiten von Frauen im Bereich der Friedenssicherung auch auf Entscheidungsebenen geregelt und die Relevanz der Geschlechterverhältnisse für friedenspolitische Prozesse hervorgehoben,
Die Working Group on Women and International Peace and Security versucht aber nicht direkt, politisch Einfluss zu nehmen. Zu ihr gehören u.a. Women’s Caucus for Gender Justice, International Peace Research Association und Women's International League for Peace and Freedom (WILPF).xxxvii
WILPF ist die weltweit älteste und größte friedenspolitische Frauenorganisation, zu der sich 1915 rund 1.200 „Frauen aus 12 kriegführenden und neutralen Staaten“ aus Protest gegen den Krieg in Europa zusammen schlossen. WILPF hat nationale Zweige in verschiedenen Ländern, ist mit „beratendem Status bei der UNO und ihren Unterorganisationen ... akkreditiert und betreibt intensives Lobbying für Frauenrechts- und Friedensfragen“.xxxviii
Wesentlich für die frauen- und friedenspolitische UN-Lobbyarbeit sind außerdem die zwei UN-Institutionen CEDAW (Committee on the Elimination of Discriminations against Women) und UNIFEM (United Nations Development Fund for Women). Die Frauenrechtskommission überwacht die Umsetzung der UN-Konvention von 1979 zur Beseitigung jeder Form von Frauendiskriminierung, während UNIFEM u.a. Frauenfriedenskonferenzen und internationale Studien zur Situation der Frauen durchführt, in konflikthaften Regionen Frauen in Wahlprozessen unterstützt und Reformprozesse im Interesse der Frauenrechte beobachtet.
Gemeinsam mit Akteurinnen der (inter)nationalen Frauenbewegungen brachten sie als Vertreterinnen der Zivilgesellschaften in den neunziger Jahren auf zahlreichen UN-Konferenzen die Interessen, Perspektiven und Forderungen von Frauen ein. Auf der Basis hoher fachlicher Kompetenz, durch gezielte Strategien und mit ausgeklügelten Taktiken verschafften sie ihnen in zäher Lobbyarbeit und mit beharrlichem Verhandlungsgeschick in zahlreichen Abschlussdokumenten Geltung.xxxix Für die Frauenbewegungen ist dies ein Instrumentarium, das sie international und in ihren jeweiligen Ländern zur Durchsetzung von Interessen und Rechten nutzen können.
Internationale Dokumente zur Geschlechterrelevanz in friedens- und sicherheitsrelevanten Prozessen - Anspruch und Realität
Als Resultat des langjährigen Engagements und der intensiven Lobbyarbeit der internationalen frauenpolitischen Zivilgesellschaft können sich Frauen in der Friedensund Sicherheitspolitik inzwischen auf völkerrechtlich anerkannte Normen berufen, die ihre bedeutsame Rolle in der Friedenssicherung oder Konfliktlösung ebenso wie der Geschlechterdimension für bewaffnete Konflikte und Nachkriegsordnungen anerkennen. Ein Meilenstein war dafür die Pekinger Weltfrauenkonferenz und die dort verabschiedete Peking-Plattform von 1995.xl
Die Aktionsplattform betont u.a. den Zusammenhang zwischen Frieden und Geschlechtergleichheit und die spezifischen Auswirkungen von Krieg und bewaffneten Konflikten auf die Lebensbedingungen von Frauen. Es werden Vorschläge für und Ansprüche an die nationalen Regierungen formuliert, wie Frauen einerseits vor den spezifischen Gefährdungen im Kontext von bewaffneten Konflikten geschützt und andererseits an den entsprechenden Entscheidungsprozessen stärker beteiligt werden können.
Außerdem werden Forderungen u.a. zur militärischen Abrüstung und Unterstützungsmaßnahmen für gewaltfreie Formen der Konfliktlösung formuliert. Im Abschlussdokument von „Peking +5“ werden einzelne Aspekte der Pekinger Plattform ausdifferenziert. Es postuliert die gleichberechtigte Beteiligung von Frauen in allen Entscheidungsprozessen und - gremien zur Friedenskonsolidierung und eine stärkere Kooperation mit Frauenorganisationen und NGOs.xli
Diese Dokumente bilden die Grundlage für zahlreiche Beschlüsse des UN-Sicherheitsrats, in denen er die Bedeutung der Gender- Perspektive für „peacemaking, peacekeeping“ und „peacebuilding activities“ grundsätzlich ebenso anerkennt wie die wichtige Funktion und Rolle von Frauen in diesen Prozessen einerseits, ihre besondere Schutzbedürftigkeit andererseits. Die bisher weitreichendste und grundsätzlichste Resolution in Bezug auf die Einbeziehung der Geschlechterdimension, der Partizipation von Frauen und Berücksichtigung ihrer spezifischen Belange in allen konflikt- und sicherheitsrelevanten Bereichen ist die UN-Resolution 1325 vom 31.Oktober 2000 "Frauen und Frieden und Sicherheit". Sie wurde vom UN-Sicherheitsrat einstimmig verabschiedet und ist – wie alle Resolutionen des Sicherheitsrats – verbindliches Völkerrecht.
Die vielfach als „historisch“ bezeichnete Resolution postuliert in 18 Punkten an die Adresse der UNMitgliedstaaten, der konfliktaustragenden Parteien und/oder an die Völkergemeinschaft, dafür Sorge zu tragen, dass
- Frauen in allen Fragen von Krieg und Frieden, in sämtlichen Entscheidungsgremien und –prozessen in Krisen und bewaffneten Konflikten, bei der Prävention und zivilen Konfliktregulierung sowie an der gesellschaftliche Neuordnung nach einem bewaffneten Konflikt auf regionaler, nationaler, internationaler Ebene verstärkt beteiligt werden;
- die Gender-Perspektiven in Peacekeeping-Einsätzen und Friedensabkommen und in entsprechenden Trainings und Ausbildungsleitlinien integriert werden;
- der Schutz von Frauen und Mädchen aufgrund ihrer geschlechterspezifischen Gefährdungen im Kontext bewaffneter Konflikte und in Flüchtlingseinrichtungen sichergestellt wird und ihre spezifischen Bedürfnisse und Bedingungen berücksichtigt werden.
Erstmals anerkennt der Sicherheitsrat die wesentliche Rolle zivilgesellschaftlicher Frauengruppen in Konfliktbeilegungsprozessen bzw. der Umsetzung von Friedensabkommen. Zudem sollen Frauen verstärkt zu Sonderbeauftragten und Sonderbotschafterinnen im Dienste des UN-Generalsekretärs ernannt und in UNFeldmissionen zum Beispiel als Militärbeobachterinnen und ziviles
Personal eingesetzt werden. Spätestens mit der UN-Resolution 1325 verstößt der beschriebene Ausschluss der Frauen und Geschlechterperspektive aus friedens- und sicherheitsrelevanten Prozessen und Entscheidungen gegen internationales Völkerrecht. Hieran sind die westlichen Staaten nicht weniger beteiligt als die in der Regel traditionell patriarchal organisierten Staaten der Krisen- und Nachkriegsregionen, wie am Beispiel des Staatsbildungsprozesses in Afghanistan sichtbar wird.
Vor dem Hintergrund, dass die Intervention in Afghanistan u.a. mit der Befreiung der Frauen von der Unterdrückung der Taliban legitimiert wurde, drängte die internationale Staatengemeinschaft zwar auf der Petersberger Afghanistan-Konferenz 2002 auf die Partizipation afghanischer Frauen in der Übergangsregierung und in der großen Ratsversammlung Lloya Jirga und forderten die Stärkung der Frauenrechte. Dies hatte immerhin zur Folge, dass in der ersten Lloya Jirga im Juni 2002 von den 1650 Mitgliedern 200 Frauen waren, also 12%, und in der Übergangsregierung eine Frauenministerin und eine weitere Frau als Ministerin sitzen.xlii
Doch blieb diese frauenpolitische Intervention der internationalen Gemeinschaft halbherzig. Angesichts der zutiefst patriarchalen und frauenverachtenden bisherigen Gesellschaft hätte sie von weitreichenden, Frauen unterstützenden und schützenden Maßnahmen und Programmen begleitet werden müssen, die jedoch ausblieben.xliii Entsprechend wurden die an dieser Lloya Jirga beteiligten Frauen von den Warlords massiv eingeschüchtert und verloren zum Teil nach Rückkehr in ihre Heimatorte ihre Arbeit. Die erste Frauenministerin, Sima Samar, gab ihr Amt aufgrund massiver Todesdrohungen und der mangelnden Unterstützung durch ihre Kabinettskollegen bald wieder auf.xliv
Trotz dieser Erfahrungen blieb eine nachdrückliche weitere Intervention im Interesse der Frauen durch die internationale Staaten- und Gebergemeinschaft aus. Zum Beispiel hätte die Bereitstellung von Mitteln zum Aufbau an die Einführung einer Frauenförderklausel gebunden werden können, die internationale Frauenorganisationen forderten. In der folgenden verfassungsgebenden Lloya Jirga im Januar 2004 war der Frauenanteil dann schon auf 11% gesunken, obwohl das afghanische Ministerium für Frauenangelegenheiten und internationale Frauenorganisationen eine Quote von mindestens 25 % Frauen gefordert hatten. Wieder wurden weibliche Delegierte, die eine moderne frauenfreundliche Positionen vertraten, massiv eingeschüchtert und fürchteten eine Rückkehr in ihre Heimatgemeinden.
Dass die Resolution 1325 so weitgehend missachtet wird, hat zum einen immanente Gründe.xlv Sie enthält unter anderem keine konkreten Umsetzungsvorgaben. Es fehlen genaue Zeit- und Zahlenvorgaben wie Quoten, um die angemessene Frauenbeteiligung zu beziffern. Damit bleibt ein Interpretationsspielraum, der je nach Geschlechterverhältnissen in den einzelnen UN-Mitgliedsländern weit ausgelegt wird. Zwar ist der Generalsekretär zur Überprüfung der Umsetzung der Resolution zur Vergabe von Studien berechtigt und legt zum Jahrestag der Resolution in der Regel auf der Basis der Studien und Berichte der UN-Mitgliedsländer dem Sicherheitsrat die Ergebnisse vor, doch dabei werden die - relativ geringen - Fortschritte hervorgehoben, und selbst wenn Defizite oder Verstöße konstatiert werden, bleibt dies ohne Folgen.
Es gibt keine Sanktionierung bei Missachtung der bzw. Verstoß gegen die Resolution. Auch auf ein anderes Instrument verzichtet der Sicherheitsrat: die Schaffung von Anreizen in Form verstärkter materieller, finanzieller und personeller Unterstützung bzw. die generelle Bindung der Mittelvergabe an erkennbare und definierte Fortschritte in der Berücksichtigung der Geschlechterverhältnisse. Zudem kommt selbst der UNGeneralsekretär Vorgaben, die sich direkt an ihn richten, nicht nach, wie der verstärkten Einsetzung von Sonderbeauftragten und -botschafterinnen oder der Bereitstellung von Leitlinien und Material über die Rechte und Bedeutung der Partizipation von Frauen in der Friedenssicherung und -konsolidierung für die Mitgliedstaaten zur Aus- und Fortbildung.
Darüber hinaus werden für unterstützende Begleitprogramme keine Mittel zur Verfügung gestellt. Dies verweist auf die tiefer liegenden Ursachen. Die Außen- und Sicherheitspolitik gehört zu den zentralen Bereichen von Machtpolitik und ist deshalb eine besonders resistente Männerdomäne, in der die Kluft zwischen Proklamation und Realisation der Frauen- und Menschenrechte besonders groß ist. Zu diesem Ergebnis kommt auch die Sozialwissenschaftlerin Christa Wichterich in ihrer Analyse der UNKonferenzen der neunziger Jahre aus feministischer Perspektive: "... opportunity windows und Verhandlungsräume öffnen sich um so weniger, je härter die Ressorts und Politikfelder sind, d.h. je näher sie an dem Machtkartell von Finanz-, Wirtschafts-, Sicherheits- und konventioneller Außenpolitik, der sog. High politics, sind."xlvi
Frauenpolitische Ansätze der Friedenssicherung und Konfliktregulierung im 21. Jahrhundert
Vor dem Hintergrund zunehmender Militarisierung der (inter)nationalen Friedens- und Sicherheitspolitik einerseits, der überaus zögerlichen Umsetzung der frauenpolitisch relevanten Dokumente der Internationalen UN-Konferenzen der neunziger Jahre und der UN-Resolution 1325 andererseits haben seit Beginn dieses Jahrhunderts frauenpolitische und feministische friedens- und sicherheitspolitische Aktivitäten und Initiativen weltweit zugenommen. Festzustellen ist dabei transnational eine Verständigung und Kooperation zwischen den Akteurinnen verschiedener Generationen und zwischen Vertreterinnen unterschiedlicher frauenpolitischer Ansätze.
Ebenso wie die gesellschaftspolitischen Veränderungen beziehen sie die Diskussionen und Erfahrungen seit den neunziger Jahren in ihre Handlungskonzepte ein. Diese sind geprägt von der Erkenntnis, dass die internationale Frauenlobbyarbeit im UN-Kontext bei allem Erfolg erhebliche Kräfte und Energien gebunden und zu einer Entradikalisierung von politischen Vorstellungen und Forderungen geführt hat.xlvii
Eine Vermittlung zwischen den internationalen und lokal oder national agierenden Akteurinnen hat zudem häufig kaum stattgefunden, mit der Folge, dass Inhalte der Konferenzen und der UN-Resolution 1325 ebenso wie die Arbeit von frauenpolitischen UN-Institutionen wie CEDAW und UNIFEM bei regional und basisorientiert arbeitenden Frauenfriedensorganisationen kaum bekannt sind. Daher setzen sowohl bestehende als auch neu entstandene Organisationen und Gruppierungen auf die Verknüpfung der lokalen, nationalen und internationalen Ebenen, wobei den lokalen und nationalen Handlungsfeldern wieder größere Bedeutung beigemessen wird.
Zur Vermittlung der Inhalte der UN-Resolution 1325 initiierte WILPF beispielsweise das Projekt Peace Women, das auf einer eigenen Websitexlviii Informationen rund um die UN-Resolution 1325 bündelt. Die Initiative verfolgt damit u a. das Ziel, NGOs vor Ort zu unterstützen, Ansprüche geltend zu machen und Druck auf ihre jeweiligen Regierungen auszuüben, um die Resolution umzusetzen.
Auch in der Bundesrepublik Deutschland hat eine breite Vernetzung und Kooperation unterschiedlicher frauenpolitischer Aktivitäten und Organisationen aus dem friedens- und sicherheitspolitischen Bereich stattgefunden. Unter Beteiligung von friedenspolitischen Expertinnen aus anderen europäischen und außereuropäischen Länder eröffneten sie mit dem „Weltfrauensicherheitsrat in Gründung“ im September 2002 ein erstes konkretes Handlungsfeld. Er zielt insbesondere darauf ab, regionale frauenfriedenspolitische Aktivitäten in aller Welt zu bündeln, ihnen international, und das heißt auch auf UN-Ebene, Gehör und Einfluss zu verschaffen, und ein Gegengewicht zu den bestehenden männerdominierten UN-Gremien, insbesondere dem Sicherheitsrat zu herzustellen, wobei auf die gleichberechtigte Beteiligung der Länder des Südens besonderer Wert gelegt wird.
Obwohl dieser visionäre Ansatz national wie international auf große Resonanz stieß, wurde er mangels materieller und personeller Ressourcen bisher nicht systematisch vorangetrieben.xlix Unter dem Eindruck dieser Erfahrung entwickelte der deutsche Frauensicherheitsrat (FSR) ein pragmatischeres Handlungskonzept. Er wurde 2003 als Zusammenschluss von Expertinnen aus frauen-, friedens-, entwicklungs- und menschenrechtspolitischen Arbeitsfeldern und Organisationen, aus der Forschung und aus politischen Stiftungen gegründet, und ist auf das nationale friedens- und sicherheitspolitische Handlungsfeld fokussiert.
Sein Ziel ist es, der Genderperspektive in der Außen- und Sicherheitspolitik, d.h. insbesondere den spezifischen Lebensbedingungen von Frauen ,zumindest im Rahmen bundesdeutscher Außen- und UN-Politik angemessene Geltung zu verschaffen. Angesichts der Genderdefizite bundesdeutscher wie internationaler Sicherheitspolitik hat sich der FSR konkret zur Aufgabe gesetzt, die Politik der Bundesregierung während ihrer zwei Jahre im UNSicherheitsrat beratend und mit kritischer Analyse zu begleiten. In erster Linie will er Impulse für die Implementierung der UN-Resolution 1325 in Kriegs- und Krisenregionen geben. Als Konsequenz aus den internationalen Erfahrungen frauenfriedenspolitischer Lobbypolitik setzt er von vorn herein auf drei Ebenen an:
- direkte Einflußnahme auf bundesdeutsche Sicherheitspolitik,
- öffentliche Information und Aktion,
- nachhaltige Vernetzung und Kooperation engagierter Frauen, Organisationen und Gruppierungen in Bereich Friedens- und Sicherheitspolitik.
Dementsprechend sind Zielgruppen nicht nur die Politik (Bundesregierung, Bundestag und Diplomatie), sondern auch die Wissenschaft (insbesondere die Friedens- und Konfliktforschung) und die Öffentlichkeit, vor allem Nichtregierungsorganisationen und Medien. Eine zehnköpfige Steuerungsgruppe, die zugleich die breite Palette der Beteiligten und deren vielfältige Kompetenzen spiegelt,l organisiert und koordiniert die Aktivitäten. Arbeitsschwerpunkte des FSR sind:
- Entwicklung eines Kriterienkatalogs zur Bewertung der Umsetzung von UNResolution 1325 und präzise Definition ungenauer Vorgaben wie "verstärkte" Beteiligung von Frauen;
- Präzisierung bzw. Neudefinition von "Sicherheit" und "Frieden" unter Bezug auf die Debatte zum „human security“- und "erweiterten" Sicherheitsbegriff, um die spezifischen Bedrohungen von Frauen in Krieg und Nachkriegszeiten und die gesellschaftlichen Gewaltverhältnisse angemessen zu berücksichtigen;
- Entwicklung eines Gender-Index für den Bereich Außen- und Sicherheitspolitik, der u.a. Kriterien für einen gendersensitiven Sicherheitsbegriff, für die Beurteilung der Gewalt gegen Frauen sowie die Beteiligung von Frauen in militärischen und zivilen Missionen und an Demokratisierungsprozessen beinhaltet.
- Geschlechtsspezifische Evaluierung von Missionen in Konfliktregionen und Entwicklung eines gendersensiblen Kriterienkatalogs für zivile Missionen.
- Kritische Analyse der Aktivitäten der Bundesregierung in diesem Arbeitsfeld.
Erfolgreich trat der FSR in einen Dialog mit führenden PolitikerInnen, insbesondere des Auswärtigen Amts und des Entwicklungsministeriums. Seine ersten konkreten Initiativen galten dem Einsatz für die angemessene Beteiligung von Frauen am Wiederaufbauprozeß im Irak und in Afghanistan und der Durchsetzung ihrer Rechte. U.a. entwickelte er einen detaillierten Maßnahmenkatalog für die adäquate Einbindung der irakischen Frauen in Entscheidungen über die Nachkriegsordnung und zum Monitoring des Nachkriegsprozesses. Diesen Maßnahmenkatalog richtete der FSR an die Bundesregierung mit der nachdrücklichen Bitte, sich im UN-Sicherheitsrat für seine Umsetzung einzusetzen. Darüber hinaus präsentierte er dem Auswärtigen Amt einen „Aktionsplan zur beschleunigten Umsetzung von Resolution 1325“ mit Vorschlägen für konkrete Zielformulierungen und Maßnahmen.
Zur Weiterentwicklung der eigenen Kompetenzen und zwecks Erreichung einer Fach- und Medienöffentlichkeit führt der FSR in Kooperation mit anderen Organisationen ExpertInnentagungen und Diskussionsveranstaltungen zu zentralen Problemfeldern durch.li In der breiten Öffentlichkeit wirbt er mit einer Postkartenaktion für die umfassende Unterstützung der Forderung nach unverzüglicher Umsetzung der UN-Resolution 1325.
Die Gründung des FSR fand bis hin zur Regierungsebene ein breites positives Echo, seine erste Bilanz aus Anlaß der einjährigen Beteiligung Deutschlands im UNSicherheitsrats fiel jedoch zwiespältig aus: Die relativ große Bekanntheit und breite Unterstützung durch NGOs sowie die Nachfrage nach Expertise des FSR verweisen auf den Bedarf und die erfolgreiche Öffentlichkeits- und Netzwerkarbeit. Doch die politischen Impulse für die Umsetzung der UN-Resolution fanden trotz des erklärten Kooperationsinteresses auf Seiten der Regierung wenig Resonanz. Es blieb bisher im wesentlichen bei pauschalen Absichtserklärungen zur Berücksichtigung der UNResolution 1325.
Die vom FSR angeregten weiterführenden Initiativen der Realisierung stießen auf Vorbehalte. Dies bestätigt die Notwendigkeit der Doppelstrategie des FSR: – Einerseits Lobbyarbeit bei der Regierung, andererseitsverstärktem Druck durch gezielte Öffentlichkeits- und Netzwerkarbeit. Zugleich unterstreicht es die Kluft zwischen Proklamation und Implementierung von Forderungen nach Geschlechtergerechtigkeit in der Männerdomäne der Außen- und Sicherheitspolitik. Auf eine Verbindung von weltweitem Aktionsradius und regionalen Handlungsfeldern bei klarer zeitlicher Begrenzung zielt auch das in der Schweiz 2003 vor allem von Politikerinnen und Wissenschaftlerinnen entwickelte Projekt 1000 Frauen für den Friedensnobelpreis 2005 dar. Ihr Ausgangspunkt: nur 11 Frauen, aber 80 Männer und 20 Organisationen erhielten seit 1901 den Friedensnobelpreis.
Zentrales Ziel des Projektes ist es, die Arbeit und „die herausragenden Rollen und Strategien von Frauen zur nachhaltigen Friedensarbeit“, und den „mutigen und stetige Einsatz für ihre Dörfer, Länder und Kulturen als friedensfördernd“ sichtbar zu machen, zu würdigen und dadurch einen Beitrag zur Friedensförderung zu leisten.lii Nach einem detailliert ausgearbeiteten Vorschlagsverfahren und einem entsprechenden Kriterienkatalog sollen 1000 Frauen aus allen Regionen der Erde für den Friedensnobelpreis 2005 nominiert und gemeinsam geehrt werden.
19 Koordinatorinnen aus allen Weltregionen und verschiedenen Kulturen sowie Lebenszusammenhängen sind für die Suche der 1000 Frauen verantwortlich. Das Projekt ist bei der Schweizerischen Friedensstiftung swisspeace angebunden und soll im Interesse weiterer Erkenntnisgewinnung für die Konfliktforschung und Friedenspolitik auch wissenschaftlich evaluiert werden. Vom EDA (Eidg. Departement für Auswärtige Angelegenheiten) teilfinanziert, ist es aber auf breite finanzielle Unterstützung angewiesen, die u.a. über den Verkauf von „Friedensaktien“ erreicht werden soll.
Die Resonanz und Unterstützung, die auch dieses Projekt weltweit findet, macht deutlich, dass sowohl die angemessene Repräsentanz von Frauen im internationalen Bereich der Konfliktregulierung und Friedenspolitik als auch die Internationalisierung der frauenpolitischen Ansätze in der Friedens- und Konfliktarbeit auf der politischen Agenda stehen.
Nationale und internationale Friedens- und Sicherheitspolitik ist eine gegenüber der Geschlechtergerechtigkeit besonders resistente Männerdomäne. Jedoch verzeichnen insbesondere frauenpolitische Ansätze in akuten Krisen und Nachkriegssituationen und massiver Druck frauenpolitischer Zusammenschlüsse erhebliche Erfolge in Bezug auf die Partizipation von Frauen und Einbindung ihrer Sichtweisen vor allem auf nationaler und regionaler Ebene.
Die systematische Implementierung bereits errungener völkerrechtlich bindender Beschlüsse in diesem Bereich steht allerdings weiterhin aus. Verstöße gegen diese Vorgaben sind nach wie vor an der Tagesordnung. Vor dem Hintergrund zunehmender Militarisierung internationaler Politik hat dies seit Beginn des 21. Jahrhunderts u.a. zur Folge, dass in den Konflikt- und Kriegsregionen der Welt ebenso wie in anderen Regionen – auch der BRD – Frauen, Frauenorganisationen und Interessenlobbys verstärkt ihr Recht auf politische Partizipation beanspruchen und zu dessen Realisierung neue Strategien erproben.
Das Bewußtsein über die spezifische Kriegsgewalt gegen Frauen und Mädchen hat zugenommen. Zudem gibt es eine breite Problematisierung des gegenwärtig in der Mainstreampolitik formulierten Sicherheitsverständnis. Als Konsequenz aus den Erfahrungen der neunziger Jahre, vor allem mit der internationalen Lobbyarbeit, setzen frauenpolitische Zusammenschlüsse und Organisationen zur Durchsetzung geschlechterorientierter Friedens- und Sicherheitspolitik und zur Sichtbarmachung und Partizipation von Frauen auf eine Mehrfachstrategie:
- Einflußnahme auf die Politik nationaler Regierungen und internationaler Organisationen,
- Anbindung an regionale Organisationen und Gruppen bei nationaler und internationaler Vernetzung und Kooperation,
- Aufbau von Druck durch Öffentlichkeitsarbeit für unterschiedliche Adressatenkeise: NGOs und ExpertInnengruppen, Medien und die breite Öffentlichkeit.
Dafür entwickeln sie neue frauenpolitische Organisationsformen und Netzwerke, deren Arbeit durch systematischen eigenen Kompetenzausbau, hohe Professionalität, die Weiterentwicklung eigener Handlungsfelder und Empowermentstrategien gekennzeichnet ist. Jenseits der Weiterentwicklung eigener Theorien und Fragestellungen impliziert dies die Auseinandersetzung mit herrschenden Theorien, Politiken, Erklärungsansätze und Definitionen aus feministischer Perspektive, um auf dieser Basis geschlechterdifferenzierte Ansätze und Alternativen aufzuzeigen und die herrschende Definitionsmacht zu durchbrechen. Aktuell auf der Agenda steht hierbei u.a.
- das Hinterfragen des impliziten und expliziten Verständnis von Sicherheit und Frieden aus der Genderperspektive in den gegenwärtigen Politiken und Sicherheitskonzeptionen und die Entwicklung von Alternativen; die Identifikation von Risiken für Sicherheit und Frieden und die Bedeutung von Geschlecht und Geschlechterverhältnissen im sicherheitspolitischen Diskurs;
- die Überprüfung innovativer Ansätze für die nationale wie internationale Politik;
- die Analyse der Möglichkeiten und Grenzen bestehender völkerrechtlicher Normen und Vorgaben sowie internationaler Gremien und Institutionen zur Gewährleistung bzw. Durchsetzung der Frauenrechte und einer geschlechtergerechten Politik im Kontext von Friedens- und Sicherheitspolitik;
- die ständige (selbst)reflexive Analyse der Politikansätze von frauen- und genderorientierten NGOs, Netzwerkstrukturen und Aktivitäten in friedenspolitischen, (inter)nationalen Zusammenhängen und ihre Einflußmöglichkeiten und Entwicklungsperspektiven;
- die Klärung von Kooperationsmöglichkeiten und -grenzen mit anderen NGOs im Bereich der Friedens- und Konfliktbearbeitung.
Zugleich steht in der feministischen Debatte die Klärung von weiteren Fragen an, die im Zusammenhang mit der Forderung nach geschlechterquotierten UN-Missionen neue Brisanz entfalten.. Dazu gehört das Verhältnis von Frauen zu Gewalt und Militär und ihre Beteiligung im Militär, An deren konstruktiven Klärung wird sich die Durchsetzungsfähigkeit und nachhaltige Wirksamkeit der neu entwickelten feministischen Ansätze in der internationalen Friedens- und Sicherheitspolitik erweisen.
Quelle : Karen Hagemann, Jennifer Davy und Ute Kätzel (Hg.). „Frieden – Gewalt – Geschlecht. Friedens- und Konfliktforschung als Geschlechterforschung“, hg. in Zusammenarbeit mit dem Feministischen Institut der Heinrich-Böll-Stiftung in der Reihe: "Frieden und Krieg. Beiträge zur Historischen Friedensforschung", Essen: Klartext Verlag 2004
Endnoten:
i Wesentlich sind hier die Aktionsplattform von Peking 1995 und die UN-Resolution 1325, verabschiedet auf der 4213. Sitzung des UN-Sicherheitsrats, 31. Okt. 2001.
ii Verweis vom 26. April 2004 offline (11.01.2011)
iii Die neue Nationale Sicherheitsdoktrin der Vereinigten Staaten, 28. Sept. 2002, vollständige Dokumentation der Langfassung in deutscher Übersetzung, S.6, (23. Aug. 2004).
iv Ein sicheres Europa in einer besseren Welt, Europäische Sicherheitsstrategie, verabschiedet vom Europäischen Rat, Brüssel. 12. Dez. 2003.
v Parallel wurde insbesondere im Kontext der UN das Konzept der „Human Security“ entwickelt. Zur Diskussion um die unterschiedlichen Begriffe vgl. Dokumentation des Feministischen Instituts in der Heinrich-Böll-Stiftung (Hg.), Human Security = Women’s Security. Keine nachhaltige Sicherheitspolitik ohne Geschlechterperspektive, Berlin. 2004.
vi Im deutschen Bundestag beträgt der Frauenanteil 29,6 %. Im bundesdeutschen Kabinett sind 6 von 14 Mitgliedern Frauen. Allerdings werden die federführenden Bundesministerien, das Verteidigungs- und Außenministerium, von Männer geführt. In der US-Regierung sind lediglich 3 von insgesamt 14 Kabinettsmitgliedern Ministerinnen.
vii United Nations – the Secretary General (Hg.), Women, Peace and Security, New York. 2002, S. 64.
viii David Bloomfield/Ben Reilly, Characteristics of Deep-Rooted Conflict, zitiert nach: Bericht über die Beteiligung von Frauen an der friedlichen Beilegung von Konflikten (2000/2005(INI)) 2000, vorgelegt vom Ausschuss für die Rechte der Frau und Chancengleichheit des Europäischen Parlaments, S. 27; Women, Peace and Security (Anm. 7), S. 64.
ix Women, Peace and Security (Anm. 7); Elisabeth Rehn/Ellen Johnson Sirleaf: Women, War and Peace,. UNIFEM (Hg.), New York. 2002.
x Women, War and Peace (Anm. 9), S. 79.
xi Sanam Naraghi Anderlini, Women at the Peace Table. Making a Difference, UNIFEM (Hg.), New York. 2000, S. 31f..
xii Women, War and Peace (Anm. 9); Sanam Naraghi Anderlini (Anm. 11), S. 31-42.
xiii Europäische Sicherheitsstrategie (Anm. 4), I, S. 3-5.
xiv Ebd., II, S. 7.
xv Ebd., III, S. 12.
xvi Verteidigungspolitische Richtlinien, erlassen vom Bundesminister der Verteidigung Dr. Peter Struck, Berlin. 21. Mai 2003, http://www.bmvg.de/misc/pdf/sicherheit/vpr_broschuere.pdf (23. Aug. 2004(offline 11.01.2011))
xvii Das erforderliche Fähigkeitsprofil umfaßt „sechs wesentliche .. Fähigkeitskategorien“: „Führungsfähigkeit, Nachrichtengewinnung und Aufklärung; Mobilität; Wirksamkeit im Einsatz; Unterstützung und Durchhaltefähigkeit; Überlebensfähigkeit und Schutz“. Verteidigungspolitische Richtlinien, (Anm. 16), VIII.2, S. 22.
xviii Hier könnte der von der Bundesregierung verabschiedete „Aktionsplan zivile Konfliktprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung, 12. Mai 2004, http://www.auswaertigesamt. de/www/de/aussenpolitik/friedenspolitik/ziv_km/aktionsplan_html (23. Aug. 2004), der eine differenziertere Krisenanalyse und ein weiteres Verständnis von Sicherheit beinhaltet, ein Regulativ sein. Jedoch fehlen auch hier klare Abgrenzungen zwischen militärischen und zivilen Aufgaben und Interventionsmaßnahmen, sowie klar definierte Kriterien für evtl. zu ergreifende Maßnahmen.
xix Sibylle Mathis, Ein- und Ausblicke feministischer Friedensarbeit, S. 111, in: Cilja Harders/Bettina Roß (Hg.), Geschlechterverhältnisse in Krieg und Frieden, Opladen. 2002; Women, Peace and Security (Anm. 7), S. 2.
xx Bericht über die Beteiligung von Frauen an der friedlichen Beilegung von Konflikten (Anm. 8), S. 15-17.
xxi Damit soll nicht ausgeblendet werden, dass auch Männer im Krieg Opfer sexueller Gewalt werden - wie Berichte aus irakischen Gefängnissen 2004 beweisen, wo USamerikanische SoldatInnen irakische Gefangene sexuell gedemütigt und gefoltert haben. Es ist davon auszugehen, dass die Wirkung ähnlich ist, allerdings werden Männer nicht in gleichem Ausmaß Opfer sexueller Aggression.
xxii MaryValentich, Rape Revisited: Sexual Violence against Women in the Former Yugoslavia, in: Canadian Journal of Human Sexuality, 3, 1 (1994), S. 53.
xxiii Bericht über die Beteiligung von Frauen an der friedlichen Beilegung von Konflikten (Anm. 8), S. 16.
xxiv Sowohl Women, Peace and Security (Anm. 7) als auch Women, War and Peace (Anm. 9) kommen zu diesen Ergebnissen.
xxv amnesty international (Hg.), Afghanistan. ‚No one listens to us and no one treats us as human beings‘. Justice denied to women, ohne Ortsangabe. 2003, http://web.amnesty.org/library/index/ENGASA110232003 (23. Aug. 2004 (page not found: 11.01.2011)).
xxvi Barbara Lochbihler, Okt. 2003, bei der Vorstellung des ai-Berichts.
xxvii Human Rights Watch (Hg.), Iraq. Climate of Fear. Sexual violence and abduction of women and girls in Baghdad, New York. 2003.
xxviii Vgl. Bericht über die Beteiligung von Frauen an der friedlichen Beilegung von Konflikten (Anm. 8), S. 17f.; Women, War and Peace (Anm. 9), S. 70f..
xxix Women, War and Peace (Anm. 9), S. 63f..
xxx Das bedeutet nicht, dass Frauen friedliebendere Menschen oder an der Austragung von Kriegen nicht beteiligt wären und keine Mitschuld und Mitverantwortung tragen. Ohne die vielfältigen Formen ihrer Beteiligung wären kriegerische Auseinandersetzungen nicht durchzuführen. Zum Beispiel sind sie beteiligt als Unterstützerinnen und Versorgerinnen der Kämpfer, als Pflegende und Helferinnen; indem sie gewaltsame Auseinandersetzungen legitimieren, rechtfertigen oder schüren. Zum Teil sind sie auch direkt als Täterinnen involviert oder Soldatinnen der Armee oder von Freiheitsbewegungen; vgl. u.a. Ulrike C.Wasmuth, Warum bleiben Kriege gesellschaftsfähig. Zum weiblichen Gesicht des Krieges, S. 87-103; Gabriele Zdunnek, Akteurinnen, Täterinnen und Opfer. Geschlechterverhältnisse in Bürgerkriegen und ethnisierten Konflikten, S. 143-161, in: Harders/Roß (Anm. 19).
xxxi Der Bericht über die Beteiligung von Frauen an der friedlichen Beilegung von Konflikten (Anm. 8) zitiert zahlreiche UN-Berichte und internationale Studien bis 2000; die jüngsten Studien hierzu: Women, Peace and Security (Anm. 7), S. 53f. und Women, War and Peace (Anm. 9).
xxxii Cynthia Cockburn/Meliha Hubic, Gender und Friedenstruppen: Die Perspektive bosnischer Frauenorganisationen, in: Harders/Roß (Anm. 19), S. 199-218.
xxxiii In „Women, Peace and Security“ (Anm. 7) z.B. ist eine Vielzahl von Beispielen an unterschiedlichen Stellen zu finden.
xxxiv Women, Peace and Security (Anm. 7), S. 62.
xxxv Ebd., S.62; Women, War and Peace (Anm.9), S.78f..
xxxvi Vgl. das folgende Kapitel.
xxxvii In Deutschland bekannt als Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit (IFFF).
xxxviii Selbstdarstellungsflyer der IFFF o.J..
xxxix Vgl. Christa Wichterich, Zur Transnationalisierung von Frauenpolitik in der globalisierten UN-Arena, in: Feministisches Institut der Heinrich-Böll- Stiftung/Deutsche Gesellschaft für Vereinte Nationen (Hg.), „Die großen UNKonferenzen der neunziger Jahre – eine frauenpolitische Bilanz“, Berlin. 2000, S. 8-30. Die Dokumentation enthält auch eine gute Übersicht über die Frauenbeteiligung an den Konferenzen.
xl BMFSFJ (Hg.), Dokumentation der Erklärung und Aktionsplattform der 4. Weltfrauenkonferenz 1995. Gleichberechtigung. Entwicklung. Frieden, Bonn. 1996.
xli BMFSFJ (Hg.), Frauen 2000: Gleichstellung, Entwicklung und Frieden für das 21.Jahrhundert, Bonn. 2001.
xlii Women, Peace and Security (Anm. 7), S. 62f..
xliii Zwar fördert z.B. die Bundesregierung gezielt den Aufbau der Polizei und die Ausbildung von Polizistinnen in Afghanistan, doch sie macht keine Vorgaben für die entsprechenden Inhalte der PolizistInnenausbildung; die Folge: u.a. findet keine Qualifizierung für den Umgang mit geschlechtsspezifischer Gewalt statt.
xliv Simar Samar, „Als Frauenministerin besaß ich einen Tisch und einen Stuhl“, in: Feministisches Institut (Hg.), „Frauen und Sicherheit – Brauchen wir einen Weltfrauensicherheitsrat?“ Tagungsdokumentation, erarb. v. Ute Kätzel/Ute Scheub, Berlin. 2003, S. 27-30, 27f..
xlv Auf die grundsätzliche Problematik der Akzeptanz und Durchsetzung völkerrechtlich bindender Entscheidungen und die Frage von notwendigen Reformen der UN kann hier nicht eingegangen werden.
xlvi Christa Wichterich, Zur Transnationalisierung von Frauenpolitik in der globalisierten UN-Arena, in: Feministisches Institut in der Heinrich-Böll-Stiftung (Anm. 39), S. 8-30.
xlvii Vgl. u.a. Christa Wichterich, ebd.
xlviii FriedensFrauen Weltweit
xlix Die Debatte um die Idee und den Ansatz des Weltfrauensicherheitsrats ist zusammengefasst in „Frauen und Sicherheit. Brauchen wir einen Weltfrauensicherheitsrat?“ (Anm. 45)
l Vertreten sind: die Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit (WILPF), die Plattform Zivile Konfliktbearbeitung, das Internationalen Konversionszentrums in Bonn 26 26 (BICC), Friederich-Ebert-Stiftung, Heinrich-Böll-Stiftung, UNIFEM, Frauenaktion Scheherazade, Frauennetzwerk für Frieden und zwei Einzelpersonen.
li Z.B. "Frauenrechte in islamischen Gesellschaften",12. Sept. 2003; "Human Security = Women´s Security. Keine nachhaltige Sicherheit ohne Geschlechterperspektive", 24./25. Okt. 2003, in Kooperation u.a. mit dem Feministischen Institut der Heinrich- Böll-Stiftung.
lii Informationsmaterialien "1000 Frauen für den Friedensnobelpreis", FriedensFrauen Weltweit (23. Aug. 2004).
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